Mit steigender Tendenz werden zur Zeit für Pkw- und Lkw-Reifen Gasfüllungen vom Reifenfachhandel angeboten. Hierbei handelt es sich in der Regel um Füllungen mit reinem Stickstoff.
Welche Vorteile bietet solch eine Stickstoff-Füllung ?
In der Werbung werden der geringere Druckverlust gegenüber einer
Füllung mit normaler Luft, der Einsatz in der Formel 1 und in der
Luftfahrt und die geringere Alterung bzw. Schädigung von Reifen
und Felgen angeführt.
Wie sind diese Aussagen zu bewerten ?
1. Druckverlust
Die Diffusionsrate eines Sauerstoffatoms durch eine Gummischicht
ist leicht höher als die eines Stickstoffatoms. Man sollte hier aber
bedenken, daß Luft bereits zu 78% aus Stickstoff besteht und daß
auch Stickstoff durch die Reifenbauteile diffundiert.
Die genaue Diffusionsrate ist abhängig von der Art des Reifens
(Pkw, Leicht-Lkw oder Lkw) und der Höhe des Innendruckes.
Einen absolut dichten Reifen gibt es nicht und auch durch ein undichtes (verdrecktes oder beschädigtes) Ventil bzw. durch die Kontaktfläche Reifen – Felge kann Luft oder Gas entweichen.
Daher ist auch mit einer Gasfüllung eine regelmäßige Fülldruckkontrolle unbedingt erforderlich !
2. Einsatz in der Formel 1
Bei einem Formel 1 Rennen erwärmen sich die Reifen besonders stark
und bei den dadurch entstehenden hohen Temperaturen im Reifeninneren würde
der Feuchtigkeitsanteil in einer Luftfüllung in Dampfform übergehen.
Dies führt zu einer sprunghaften Druckschwankung, welche die Fahrstabilität
eines Rennwagens beeinträchtigt.
Stickstoff oder getrocknete Luft bieten hier einen gleichmäßigeren
Druckverlauf.
3. Einsatz in der Luftfahrt
Auch bei Flugzeugreifen kommt es zu sehr hohen Temperaturen, da ein
Flugzeug auf relativ kurzer Strecke eine enorm hohe Bremsleistung benötigt.
Die hierbei entstehende Wärmeenergie geht teilweise in den Reifen
über und würde zu einer Reaktion des Sauerstoffs der Luft im
Reifeninneren mit den Gummibauteilen des Reifens führen.
Eine erhöhte Verhärtung/Verglasung des Wulstgummis wäre
die Folge, was unerwünscht ist, da Flugzeugreifen bis zu 9x runderneuert
werden.
Im Extremfall könnte es auch zu einem Reifenbrand kommen.
Beides kann so sicher nicht auf den normalen Einsatz eines Reifens übertragen
werden, es sei denn, man kalkuliert den Fall einer überhitzten oder
festsitzenden Bremse mit ein.
Um ein Optimum an Sicherheit zu erzielen, setzen aus diesem Grund viele
Gefahrguttransporteure Stickstoff ein.
Zusätzlich könnte man eine Verbesserung der Runderneuerungstauglichkeit der abgefahrenen Karkassen erwarten – diese konnte bisher jedoch noch nicht quantitativ und qualitativ belegt werden.
4. Alterung des Reifens
Generell gilt, daß Gummi durch den Einfluß von Sauerstoff
altert. Dieser Effekt ist aber in der Spezifikation der Reifenbauteile
bereits berücksichtigt und aus Felduntersuchungen liegen uns keine
Berichte über durch Alterung geschädigte Reifeninnenschichten
vor.
5. Korrosion
Ein letzter Punkt ist die Korrosion bzw. die Schädigung von Felgen
und Ventilen. Rost ist eine Anlagerung von Sauerstoff am Metall. Es kann
also keine Verrostung geben, wenn man den Reifen mit Stickstoff füllt.
Es sind uns allerdings auch hier keine Berichte über Felgen, die im
Inneren angerostet sind, bekannt.
Zusammenfassend kann man sagen, daß jeder selber beurteilen
muß, welchen Nutzen ihm solch eine Füllung bringt und was er
bereit ist, hierfür zu bezahlen.
O. Göbel